Kritik an Loskes Wachstumskritik

In der heutigen taz (Bremen) trauert Benno Schirrmeister über die intellektuelle Entwicklung eines programmatischen Kopfes der Grünen und verreist dessen jüngstes Büchlein „Abschied vom Wachstumszwang“ – Reinhard Loske. Relevant ist Loskes Beitrag insbesondere im Kontext der bald beginnenden Enquete-Kommission des Bundestages „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität“, die wesentlich auf betreiben seiner Partei installiert wurde. Allerdings lässt Schirrmeisters Rezenssion nicht viel Gutes ahnen, was den Diskussionsstand in der Partei im Vorfeld der Enquete angeht. Das „Bemühen nicht anzuecken“ charakterisiert für den taz-Journalisten das Bestreben Loskes.

Leider kann ich diese Beobachtung nach einer gemeinsamen Podiumsdiskussion über das Thema Klimagerechtigkeit in Bremen mit ihm vor etwas über einem Jahr teilen. Kluge Diskussionen über neue Tram-Linien in der Stadt waren möglich, sobald es aber um grundsätzliche Fragen zum Industriestandort (Daimler, Airbus etc.) ging, war man doch unversehens wieder bei den neusten Tram-Plänen – sic transit gloria mundi.

Die Diskussionen in und um die Enquete-Kommission werden in nächster Zeit an dieser Stelle noch für einigen Diskussionsstoff sorgen.

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07.01.2011 – Reinhard Loskes neues Buch – Sechzig Seiten Sonntags-Sermon

Der Bremer Umweltsenator Reinhard Loske hat ein Buch geschrieben: „Abschied vom Wachstumszwang“. Es illustriert vor allem eins: Der grüne Vordenker hat Angst bekommen, anzuecken. VON BENNO SCHIRRMEISTER

BREMEN taz | Es ist alles so lieb und gut gemeint, und vom Ansatz her sicher gar nicht so falsch. Aber eben. Gar nicht so falsch ist halt nicht das Gleiche, wie richtig. Und gut gemeint – ach …!

Na ja. Der Bremer Umweltsenator Reinhard Loske (Grüne) hat ein Buch geschrieben, oder genauer: ein Büchlein. Es heißt „Abschied vom Wachstumszwang“, verspricht „Konturen einer Politik der Mäßigung“, und ist, das sollte erwähnt werden, auf FSC-zertifiziertem Papier gedruckt, für das ausschließlich Recyclingfasern und Holz kontrollierter Herkunft aus vorbildlich bewirtschafteten Wäldern verwendet wird.

Auch kann man Loske nicht den Vorwurf machen, er würde sein in einem brandenburgischen Kleinstverlag veröffentlichtes Opuskel übermäßig promoten, und schon gar nicht auf Kosten von Minderheiten. Grundsätzlich ist es ja auch zu begrüßen, wenn ein Berufspolitiker die Option auf eigenes Denken wahrt – und sich weigert, in Abhängigkeit von Programmen und der Behörde, der er vorsteht, bloß noch zu funktionieren. Denn das macht ja angreifbar, und zwar jenseits der Deckung von Amt oder Tendenzkörperschaft, also persönlich.

Und entsprechend ist auch die von der Heimatzeitung Weser-Kurier angezettelte „Debatte“ ein strikt zweigeteiltes Sammelsurium von Emotionen, die der Person Loske gelten: Es gibt Äußerungen der Antipathie bis hin zum Hass auf der einen, Sympathiebekundungen auf der anderen Seite. Es kann sogar gut sein: Irgendwie ist Reinhard Loske ja wirklich – wer fände denn den Willen zum Denken einen Charakterfehler! – einer der sympathischsten Minister Deutschlands überhaupt. Und: Politik der Mäßigung – das ist auch eine wichtige Angelegenheit, ein ernstes Thema. Bloß macht das ja die Sache nicht besser, sondern allenfalls trauriger. Denn die Broschüre – der Buchbinder sagt, Broschüre ist das treffendste Wort – ist rahmspinatgrün. Und flugblattplatt.

Loske war einmal ein durchaus radikaler Vordenker der ökologischen Bewegung und seiner Partei. Seine Habilitation zu „Nachhaltigkeit als Politik“ ist auch nach zwölf Jahren lesenswert – damals war sie ein Lichtblick. Denn in ihr trat grüne Politik endlich mal nicht unintellektuell-gefühlig, sondern im Rahmen einer sehscharfen, ökonomie-interessierten Theorie auf.

Noch wichtiger natürlich die von Loske verantwortete Studie „Zukunftsfähiges Deutschland“ des Wuppertal Instituts: Alles was die Schröder-Regierung an ökologisch Sinnvollem hinterlassen hat, war orientiert an deren Zielvorgaben. Und was noch anzustreben bleibt – stand da bereits vor 15 Jahren drin: Die Vision einer Agrarwende zu 100 Prozent ökologischem Landbau, analog dazu die Umstellung von einer Abfall- auf eine Kreislaufwirtschaft, und, nicht zu vergessen, eine 80-prozentige Verringerung des Energieverbrauchs bis 2050. Die wurde als erreichbar nur durch eine Kombination von Effizienz mittels technologischem Fortschritt und Wandel zu einer Kultur der Genügsamkeit (Suffizienz) beschrieben.

Das waren Inhalte. In seiner neuen Schrift hat Loske sie als Schlagworte recycelt, im deutlichen Bemühen, nicht anzuecken: Dort wo es interessant werden könnte, bleibt der Text deshalb vage – bei der überraschenden Annahmen etwa, dass durch „kürzere Arbeitszeit“ der Konsum sinke. Von der Empirie ausgehend würde man eher aufs Gegenteil kommen, weil das Konsumverhalten – abgesehen vom Kantinenessen – meist nicht in die Arbeitsstunden fällt.

Wäre das bei Senatoren anders? Oder wie stellt sich Loske die Chose vor? Na also „nicht reibungslos“, drucksts. So würden für diese Transformation Menschen benötigt, „die etwas mit sich anzufangen wissen“. Die müssen sich also zuerst ändern, und alles drumherum auch, „Erziehung, Bildung und praktisches Vorleben“.

Das klingt nicht, als hätte Loske allzu viel Vertrauen in seine eigenen Ideen. Er lässt sich nicht auf sie ein, nicht mehr. Und vor allem wagt ers nicht, sie so weit auszuführen, dass die versprochenen Konturen hervorträten. Und dort, wo zupackendes Definieren und grundsätzliches Überdenken gefragt wäre, flüchtet er sich in spießbürgerliche Glaubenssätze: „Zunächst kann man sicher feststellen“, leitet er einen davon ein, „dass Talent, Qualifikation, Fleiß, Erfahrung und Verantwortung gewisse Einkommensunterschiede rechtfertigen.“

Angesichts des gesellschaftlichen Status quo stimmt dieser Satz aber nur dann, wenn man zu den Talenten das biologische Geschlecht, zur Qualifikation die mühevolle Schule der Skrupellosigkeit und zum Fleiß den im Betreiben der eigenen Karriere zählt. Aber klar: Als vollakademisch überqualifizierter Senator muss man es gerecht finden, dass derjenige, „der sich lange qualifiziert“ bis ans Lebensende ein Vielfaches von dem verdient, „als der, der schon in frühester Jugend allein aufs Geldverdienen setzt“.

Und so weiter, auf 60 Seiten. Ein Büchlein, das wahrlich betroffen macht, in doppelter Hinsicht: Einerseits, weil hier ein Autor demonstriert, wie sich die bewiesene Fähigkeit zum visionär-realistischen Denken in zwölf Jahren Politikbetrieb nahezu rückstandslos abgeschliffen haben kann. Und durch die Rezeption.

Denn – es ist wirklich zum Heulen!: In Bremen, das einmal als fortschrittlich galt, werden Loskes Sonntagsreden-Plattitüden, verfasst nur zur Steigerung des Ruhms der bestehenden Ordnung – als zu

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